Foto: Anne Hufnagl
Frank Thelen ist als Investor und Unternehmer eine der prägendsten Figuren der deutschen Start-up-Szene. Im Interview mit dem Pitch Deck Magazin teilt er Einblicke in die heutigen Herausforderungen und Chancen, die jungen Gründern offenstehen. Von den Potenzialen moderner Technologien über die wichtigsten Eigenschaften erfolgreicher Gründerteams bis hin zur Frage, wie man mit Rückschlägen umgehen sollte – Thelen spricht offen über seine Erfahrungen, was er von heutigen Start-ups erwartet und was ihm besonders am Herzen liegt: „Legt einfach los!“
Lieber Frank, du hast im Laufe deiner Karriere viele Start-ups begleitet und investiert. Wenn du dir die aktuelle Gründerlandschaft ansiehst, was würdest du sagen, sind die größten Herausforderungen, denen junge Gründer heute gegenüberstehen?
Grundsätzlich kann man sagen: Die Bedingungen zum Gründen waren nie besser. Wissen, Rechenkapazität und Speicher sind kostenfrei oder sehr günstig verfügbar. Durch B2B-SaaS-Unternehmen wie Shopify, Xentral und Co. lassen sich sehr leicht Onlineshops, Websites und digitale Warenwirtschaftssysteme aufsetzen. Neue Technologien wie 3D-Druck und KI ermöglichen es, mit sehr geringen Investitionen Produkte zu entwickeln und Prototypen herzustellen. Jetzt kommt das Aber: Für deutsche und europäische Deep Tech Startups, die an größeren Themen wie Raketen, neuen Chips, Flugzeugen oder humanoiden Robotern arbeiten, sieht es aktuell nicht gut aus. Es fehlt an langfristigem 100M+ Venture Capital.
Auch unsere Wirtschaftspolitik ist nicht effektiv. Daran müssen wir dringend arbeiten, wenn Deutschland wieder zum Innovationsstandort für zukünftige Industrien werden soll.
Du betrachtest oft nicht nur die Geschäftsidee, sondern auch das Gründerteam. Was sind für dich die entscheidenden Merkmale eines Gründungsteams, das erfolgreich sein wird?
Zunächst einmal sollte das Gründerteam divers aufgestellt sein und sich gut ergänzen – es braucht nicht 3 BWLer, die alle den gleichen Fokus haben, sondern unterschiedliche Köpfe mit unterschiedlichen Qualitäten: z.Bsp einen Product-Guy, ein Marketing-Genie und eine Vertriebs-Göttin. Außerdem muss die Motivation der Gründer stimmen: Wer nur gründet, um “erfolgreich” oder “schnell reich” zu werden, der hat es nicht verstanden. Gründen ist extrem hart und du musst bereit sein, dein Unternehmen zur obersten Priorität zu machen.
Du investierst stark in Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz und DeepTech. Wo siehst du in den kommenden Jahren die größten Chancen für Gründer in diesen Bereichen?
Es gibt eine Reihe an neuen Grundlagentechnologien – allen voran Künstliche Intelligenz – die jetzt ihre Marktreife erreichen und in den nächsten Jahren unsere Welt tiefgreifend verändern werden. Wer diese Technologien einzusetzen weiß und damit reale Probleme adressiert, hat eine faire Chance, den bevorstehenden Wandel aktiv mitzugestalten. Besonders im Gesundheitssektor, in der Produktion und in der Energieversorgung sehe ich noch sehr viel Potenzial.
Im Wettbewerb um Finanzierung stehen viele Start-ups vor dem Problem, sich abzuheben. Was macht ein Pitch für dich wirklich überzeugend?
Das Pitchdeck sollte maximal 10 – 20 Seiten haben und textlich und grafisch hochwertig sein. Anstelle von Buzzwords und wilden Wachstumsprognosen wünsche ich mir ehrliche und sachliche Beschreibung der Mission, des Teams und Marktes.
Du musst als Gründer in der Lage sein, deine Vision in wenigen Sätzen auf den Punkt zu bringen.
Du sprichst oft über die Bedeutung von Mut im Unternehmertum. Wie sollten Gründer mit Rückschlägen umgehen? Hast du selbst eine Erfahrung gemacht, die dir im Nachhinein geholfen hat, besser zu werden?
Rückschläge gehören dazu. Das vergessen wir in Deutschland leider häufig, wir leben hier eine sehr destruktive Fehlerkultur. Die deutsche Schadenfreude – ein Wort, dass es übrigens nur in unserer Sprache gibt – ist ein ernsthaftes Problem in der Gründerszene. Ich selbst bin im Laufe meiner Karriere einige Male gescheitert, habe mein erstes Unternehmen vor die Wand gefahren und war von der Privatinsolvenz bedroht. Ich glaube, tief in mir drinnen treibt mich diese Erfahrung auch heute noch an.
Zum Abschluss, Frank: Wenn du eine zentrale Botschaft an junge Gründer hast, die gerade mit ihren ersten Projekten anfangen – was würdest du ihnen auf den Weg geben?
Legt einfach los! Bringt eure Produkte auf den Markt, sammelt Erfahrungen und Kunden-Feedback, bleibt agil und vor allem: nutzt den Baukasten der Zukunft, also neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, 3D-Druck und Co. und habt Freude, die Welt zu gestalten!
Vielen Dank für das Gespräch!